Die Sonne ist jetzt im Zeichen Jungfrau. Ein Sommer, der keiner war, neigt sich seinem Ende zu. Die Natur zeigt uns in den kommenden vier Wochen, wie die Kraft der Sonne deutlich sinkt. Jungfrau ist die Zeit der Ernte, die Früchte sind reif, Pflaumen, Äpfel und Brombeeren… viele Kräuter können jetzt gepflückt und getrocknet werden.
Früher, als die Menschen im Einklang mit der Natur lebten, wurden im Spätsommer Vorräte für die Wintermonate angelegt. Man traf Vorbereitungen für die dunkle Zeit des Jahres. Durch genaue Beobachtung und kluge Analysen versucht die Jungfrau, das Leben zu ordnen und berechenbar zu machen.
Sie möchte alle Ressourcen optimal nutzen. Sie gewinnt ihre Sicherheit und festen Boden unter den Füßen, indem sie sich auf alle Eventualitäten einrichtet und immer wieder neu an die äußeren Umstände anpasst.
In der Kunstszene des Ruhrgebiets finden wir zwei Künstler mit einer Jungfrau-Sonne. Es sind Erich Grisar, Journalist und Fotograf und der Druckgrafiker Hermann Kätelhön. Beide lebten im Ruhrgebiet der zwanziger Jahre.
Ihre genauen Beobachtungen des Alltagslebens in der Industrieregion sind typisch für die Art und Weise, wie sich dieses sechste Zeichen im Tierkreis mit der Umgebung auseinandersetzt.
Der Inhalt der Bilder, nämlich Arbeit und Alltag 1, entspricht den Inhalten des sechsten Hauses im Horoskop. Die Form, Druckgrafik und Schwarzweiß-Fotografie, steht für die nüchterne Wahrnehmung des Lebens, das dennoch ästhetisch aufbereitet wird.
Erich Grisar wurde am 11. September 1898 in der Dortmunder Nordstadt als Sohn eines Fabrikarbeiters geboren. Nach dem ersten Weltkrieg arbeitet er als technischer Zeichner für ein Hüttenwerk und beginnt nebenher, seine Gedichte zu veröffentlichen.
Ab 1924 lebt er von seinen Einnahmen als Arbeiter-Schriftsteller und Journalist. Vier Jahre später entdeckt er die Bildreportage als Stilmittel, um über das Leben der Arbeiter in der Industrieregion zu berichten.
Erich Grisar, 11. September 1898, Uhrzeit unbekannt, Dortmund, D
Datenquelle: Wikipedia Online-Enzyklopädie
Hermann Kätelhön zieht 1917 ins Ruhrgebiet. Er findet seine neue Heimat in der Künstlerkolonie auf der Margarethenhöhe in Essen. Dort betreibt er bis 1938 eine Druckwerkstatt und baut die keramische Werkstatt auf, die heute auf dem Geländer der Zeche Zollverein unterbracht ist.
Er bekommt Aufträge aus der Industrie und druckt Urkunden für die Bergleute und Stahlarbeiter. Sein umfangreiches grafisches Werk zeigt die Arbeitswelt unter und über Tage, aber auch die Landschaft des Ruhrgebiets mit ihren Zechentürmen und rauchenden Schloten.
Hermann Kätelhön, 22. September 1884, Uhrzeit unbekannt, Hofgeismar, D
Datenquelle: Wikipedia Online-Enzyklopädie
Beide Künstler haben nicht nur die Sonne im Zeichen Jungfrau, sie teilen auch einen rückläufigen Jungfrau-Merkur miteinander. Hermann Kätelhön ist vierzehn Jahre älter als Erich Grisar. Kätelhöns Saturn im Zeichen Zwillinge steht dem Schütze-Saturn Grisars gegenüber.
Man kann davon ausgehen, dass sie sich kannten. Die Kunstszene im Ruhrgebiet war zu Beginn des letzten Jahrhunderts klein und überschaubar. Sie entstand gerade erst, teils durch den neuen Reichtum 2, den die Industrialisierung mit sich brachte, aber auch durch Künstler, die wie Kätelhön ins Ruhrgebiet zogen.
Sowohl Erich Grisar als auch Hermann Kätelhön sind genaue Beobachter und Chronisten ihrer Zeit. Grisars Fotografien sind fast ausnahmslos in seiner Heimatstadt Dortmund entstanden. Sie können noch bis zum Sonntag, den 28. August 2016 in einer Ausstellung auf der Zeche Zollverein besichtigt werden. Wer sie verpasst hat, kann im nächsten Jahr Grisars Ruhrgebietsfotografien auf der Zeche Zollern in Dortmund sehen. Am 24. Februar 2017 ist Eröffnung und die Ausstellung läuft dann bis 8. Oktober.
Kätelhön hatte aufgrund seiner guten Kontakte zur Familie Krupp Zugang zu den Zechen und Hüttenwerken des Ruhrgebiets. Er fuhr mit den Bergleuten ein und zeichnete sie während ihrer Arbeit unter Tage. Beide Künstler kannten den entbehrungsreichen und harten Alltag der Arbeiter aus eigener Anschauung. Und ihre Kunst war diesen Helden der Arbeit gewidmet.
Anmerkungen
1 Sowohl bei Hermann Kätelhön als auch bei Erich Grisar finden wir weitere und anders geartete Schwerpunkte im Gesamtwerk. Während Grisars Fotonachlass zu jeweils ein Drittel aus Ansichten des Ruhrgebiets, Auslandsreisen und Reisen in Deutschland besteht, hat Kätelhön sein Hauptwerk bewusst als Gegensatz von Natur und Arbeit angelegt, dazu kommen zahlreiche Porträts.
2 Das Essener Folkwang-Museum entstand Anfang der zwanziger Jahre durch den Ankauf der Sammlung von Karl Ernst Osthaus, der in Hagen Anfang des Jahrhunderts moderne Kunst sammelte. Der Ankauf durch die Stadt Essen wurde durch großzügige Spenden ermöglicht.
Das Rheinisch-Westfälische Kohlesyndikat (RWKS), Vorläufer der Ruhrkohle AG (RAG), die inzwischen auch schon längst Geschichte ist, und Bertha Krupp mit ihrer Mutter Margarethe waren die Mäzene, die mit großzügigen Zuwendungen entscheidende Impulse für die Entstehung einer Kunstszene im Ruhrgebiet gegeben haben.