Nur noch wenige Tage läuft die Ausstellung „Hannah Höch – Revolutionärin der Kunst“ in Mülheim an den Ruhr. Schwerpunkt dieser Ausstellung ist das Spätwerk von Hannah Höch und mit Spätwerk sind diejenigen Bilder und Collagen gemeint, die ab 1945 entstehen.
Hannah Höch ist 1945 am Ende des zweiten Weltkriegs 55 Jahre alt. Die letzten sieben Jahre hat sie am Heiligensee verbracht, alleine und immer stärker zurückgezogen. Konnte sie zunächst nach der Machtergreifung 1933 noch vereinzelt ausstellen, fand ihre letzte größere Ausstellung in Den Haag in den Niederlanden 1935 statt.
In ihren Erinnerungen, die 1958 erscheinen, schreibt sie über diese Jahre, in denen sie mit der zunehmenden Isolation kämpfte: „Gegen 1937 hatte die radikale Vereinsamung für mich eingesetzt. Man sprach also mit niemandem mehr. Man verlernte die Sprache.“ Während viele Künstlerkollegen ins Exil gingen, wählte Hannah Höch den Weg der inneren Emigration. 1939 konnte sie mit dem Geld einer Erbschaft ein Haus mit Garten am Heiligensee erwerben. Dorthin an den Stadtrand von Berlin, südlich von Tegel, zog sie sich zurück. Viele ihrer Gartenbilder entstanden in diesen Jahren des Rückzugs.
Betrachtet man das Horoskop von Hannah Höch, so könnte man vermuten, dass sie in den einsamen Jahren am Heiligensee ihrem Saturn an der Spitze des fünften Hauses begegnet ist. Saturn steht gegenüber vom Mond in Wassermann in Haus 10. Sie fühlt sich verlassen. Gleichzeitig steht Saturn im angespannten Quadrat zu Neptun und Pluto.
Hannah Höch, 1. November 1889, 17.50 Uhr (LMT), Gotha, D
Datenquelle: Astrodatabank mit einem A-Rating
Neptun und Pluto in Zwillinge stehen (auch) für einen Zeitgeist, der sich ab 1933 mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gegen die modernen Künstler richtet und ihnen zunehmend die Existenzgrundlage entzieht. Viele Freunde, Kollegen und Bekannte von Hannah Höch müssen als politisch Verfolgte ins Ausland fliehen. Sie selbst überlebt in ihrer Enklave auf dem Land, schafft sich mit Garten und ihrer Kunst eine kleine Insel am Stadtrand.
Der Garten wird gemalt und im Garten wird gemalt. Die Spitze 6, der Garten, wird von der Waage-Venus in Haus 5 beherrscht. Skizzen für die Beete werden angelegt und in Collagen weiter verarbeitet. Hannah Höch zieht auch Gemüse in ihrem Garten und zahlreiche Blumen. Außerdem hat sie – in Kisten sicher verpackt – einen Schatz im Garten vergraben.
Der Schatz, das sind die Dokumente der Berliner DADA-Bewegung, zu der sie damals 1918 gehörte, außerdem zahlreiche eigene Werke oder Werke von Künstlerfreunden. Die Sammlung überdauerte in diesem Versteck die Jahre des Naziregimes und ist heute in der Berlinischen Galerie in Kreuzberg untergebracht.
Natürlich bezieht sich die Ausstellung auch auf die Anfangsphase von Hannah Höch als DADA-Muse und DADA-Künstlerin. Hervorgehoben wird ihre Technik der Collage und Montage, die sie 1918 gemeinsam mit Raoul Hausmann entwickelte. Vor allem das Spätwerk macht deutlich, dass Hannah Höch mit Schere (Merkur und der Zwillinge-AC) und Pinsel (Venus als Herrscherin von 6) gleichermaßen virtuos und eigenständig umgehen konnte. Ihre Collagen sind wie Gemälde, sorgfältig komponiert. Mars in der Jungfrau.
In Mülheim werden die Bilder nach 1945 in acht großen Abteilungen präsentiert, dazu gehört das Leben in den Städten, aber auch die Terrorjahre des Naziregimes, die Hannah Höch in zarten Aquarellfarben malt, die dennoch das Ausmaß des Schreckens zeigen. Das Frauenbild von Hannah Höch und ihre dunklen Seiten werden ebenfalls thematisiert.
Für eine kunstinteressierte Astroszene ist der Schwerpunkt „Kosmische Abenteuer“ interessant, denn Hannah Höch war mit dem Astrologen Thomas Ring und seiner Frau eng befreundet. Sie kannten sich über gemeinsamen Ausstellungen in der Sturm-Galerie in Berlin. Offenbar ließ sie sich von ihm das Horoskop stellen, denn Thomas Ring hat ihre Geburtsdaten handschriftlich in seinem Notizbuch vermerkt.
Man kann sich gut vorstellen, dass Hannah Höch zu Beginn der zwanziger Jahre von Thomas Ring eine Beratung bekam. 1922 trennt sie sich von ihrer großen Liebe Raoul Hausmann und verarbeitet diese Trennung in ihrem Ölgemälde „Saturn und Frau“. Das Bild zeigt eine Mutter mit Kind und über ihr thront die dunkle Gestalt des Saturn. Der Mond, der für die Mutter-Kind-Beziehung steht, befindet sich in Höchs Horoskop in Opposition zu Saturn, dessen Schriftzug ebenfalls im Bild auftaucht. Gleichzeitig werden die astrologischen Symbole von Jupiter und Saturn in die rechte Bildmitte gemalt.
Die gelbe Sonne, die das Ausstellungsplakat und den Flyer ziert, ist eine Collage späterer Jahre. Sie ist von 1969 und „Kleine Sonne“ getitelt. Ein Jahr zuvor malt Hannah Höch eine mandalaförmige Sonne in Öl auf Leinwand. Sie begeistert sich auch für die gelungene Landung der Amis auf dem Mond und widmet den Männern, die den Mond eroberten, eine Collage. Und 1956 entstehen die Mondfische, eins der zahlreiche Werke, in denen Hannah Höch mit Schere und Pinsel ein Bild von beeindruckender Tiefe und Schönheit kreiert.
Es lohnt sich in jedem Fall die Ausstellung zu besuchen, der Eintritt beträgt nur vier Euro und das Museum in Mülheim ist von Dienstag bis Sonntag geöffnet.
Bildquelle: Foto Monika Meer