Weihnachten ist vorbei und „Wir im Revier“ bekommen gleich das nächste große Geschenk. So oder so ähnlich fühlte es sich jedenfalls gestern Abend an, als um 18.45 Uhr das Kulturhauptstadtjahr in 52 Städten zwischen Duisburg und Dortmund feierlich eingeläutet wurde.

Mit einem enormen Vorlauf an Planung und einem vergleichsweise geringen Budget [1] hat man sich Großes vorgenommen. Ruhr 2010 soll das Image des Ruhrgebiets nachhaltig verändern und der ganzen Welt zeigen, dass wir die neue Hauptstadt Deutschlands sind: Ruhrstadt, die Metropole!

Ruhrstadt, das sind eigentlich 52 Städte plus Essen. Sie sind die „Local Heroes“ und werden in einer Broschüre [2] alphabetisch von Alpen bis Xanten gelistet. Das ganze Jahr hindurch ist jede Stadt für jeweils eine Woche „Hero“ und darf sich mit einem – mehr oder weniger gelungenen – Kulturprogramm feiern.

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Jahrhunderthalle Bochum im Westpark  Foto © Monika Heer

Mein Bochum ist in der Woche vom 11.-17. Juli Kulturhauptstadt und ich lese gerade die drei Dinge, für die wir berühmt sind: Starlight Express, Bermudadreieck und das Schauspielhaus. Dortmund formuliert`s noch kürzer: Kohle und Stahl, Bier, Fußball.

Da sind sie schon wieder, die alten Ruhrpottklischees. Man nehme noch Taubenvater Jupp dazu und die Verwechslung von Dativ und Akkusativ und schon wird aus der neuen Metropole Ruhrstadt ein flächenreicher und kulturarmer Ballungsraum, der sein altes Image von Malochern und deren Proletencharme [3] weiter pflegt.

Das größte Handicap der Ruhr 2010 ist deshalb nicht Schneetief Daisy, das eventuell die Eröffnungsfeier vor der gigantischen Kulisse der alten Zollverein-Kokerei verhindern kann. Es ist Ruhrgebiet selbst mit seinen gewachsenen Strukturen. Interessanterweise spiegelt sich der Gegensatz von Modernitätsansprüchen und gelebter Wirklichkeit im Horoskop der Eröffnung [4] wider.

Kulturhauptstadt Ruhrgebiet 2010 Eröffnung

Wir sind Kulturhauptstadt, 8. Januar 2010, 18.45 Uhr (MEZ), Ruhrstadt-Bochum, D

Der stolze Löwe-Aszendent mit Mars am AC will hoch hinaus, leider hat Mars derzeit den Rückwärtsgang eingelegt. Dazu passt es, dass einige anvisierte Großprojekte nicht pünktlich fertig geworden sind, so wurde die Eröffnung des Dortmunder „U“ von Mai auf Oktober verschoben. Bochums neues Konzerthaus wird gar nicht gebaut und im Viktoriaquartier am Bermudadreieck ist bislang einzig und allein ein neuer Lidl-Markt fertig geworden.

Das neue Folkwangmuseum hingegen eröffnet pünktlich am 30. Januar und zeigt seine Schätze, das Ruhrmuseum in der alten Kohlenwäsche auf Zollverein kann ab morgen besichtigt werden. Und so darf immerhin die Stadt Essen in 2010 glänzen – und für alle den Löwen spielen. Übrigens astrologisch gesehen, kommt diese Sonne als Herrscherin des AC im sechsten Haus eher bescheiden daher. Und im Zeichen Steinbock hat sie mit der Zählebigkeit alter Strukturen und Vorurteile zu kämpfen.

Wohlmöglich sorgt Pluto im fünften Haus für weiteren Image-Wandel. Pluto ist Schlüsselplanet für das ehemals „schwarze Revier“, man denke nur an die Arbeitswelt unter Tage in den letzten 150 Jahren.

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There`s a light… Grubenlampe als Symbol des Bergmanns Foto © Monika Heer

Und Saturn im dritten Haus, vom Retro-Steinbock-Merkur regiert? Das ist der öffentliche Nahverkehr, langsam, provinziell und in gewachsenen dörflichen Strukturen erstarrt. Von Bochum nach Gladbeck dauert es anderthalb Stunden, zweimal Umsteigen inbegriffen, Entfernung in Kilometern: 30!

Heute abend fahren die Essener Straßenbahnen ausnahmsweise mal im 7,5-Minuten-Takt. Man spielt für einen Abend Metropole Ruhrstadt.

So oder so, trotz Gemecker. Ich freue mich auf das Kulturhaupstadt-Jahr und werde in den kommenden Monaten immer mal wieder berichten. Vielleicht von der Neueröffnung des Folkwang-Museums, oder der neuen Hymne, die Herbert Grönemeyer für das Revier geschrieben hat. Da ist das große Frühstück auf der  A 40, die  am 18. Juli für einen Tag stillgelegt wird. Und die Ruhrtriennale im Spätsommer und Herbst – insgesamt werden es 2500 Veranstaltungen und 300 Projekte sein. Also auf ein spannendes Ruhr2010-Jahr!

[1] Der Etat von 62 Millionen Euro für die Ruhrstadt wirkt vor allem im Vergleich niedrig, in ungarischen Pecs spricht man von 170 Millionen Euro, Istanbul 180 Millionen Euro. Datenquelle: Artikel im FAZ-Feuilleton vom 8.1. 2010

[2] Die Broschüre gibt es im Ruhr2010-Shop, der bislang noch etwas armselig ausgestattet ist.

[3] z.B. Claude Oliver Rudolph als Vertreter der Kulturhauptstadt in einer ZDF-Glückauf-Show

[4] Das Kulturhauptstadtjahr wurde mit großem Glockengeläut in allen Städten begrüßt, dieses Geläut habe ich als Startpunkt für Ruhr2010 gewählt. Die offizielle Eröffnungsfeier startet am 9. Januar um 15.30 Uhr, aber nur für geladene Gäste und im Freien. Ab 18.00 Uhr beginnt ein großes Kulturfest für alle auf Zeche Zollverein in Essen, Hauptankerpunkt der Kulturhauptstadt.

Bildquelle: Fotos Monika Meer