Als sich vor 25 Jahren die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ereignete, hatte ich gerade meine Magisterarbeit über Rudolf Steiners soziale Dreigliederung abgegeben. Ich befand mich in jenem seltsamen Zustand von Erleichterung, Ziellosigkeit und leichter Depression, den wohl jeder kennt, der lange Zeit auf ein einziges Ziel hingearbeitet hat.
Die Nachricht einer Kernschmelze im damals noch russischen AKW schlug bei mir – mit Verlaub gesagt – ein wie eine Bombe. War doch gerade zwei Jahre vorher Pluto in sein eigenes Zeichen Skorpion gewandert und dieser Zeichenwechsel hatte der Astroszene mancherlei Weltuntergangs-Szenarien beschert. Auswandern nach Neuseeland oder Australien war für viele eine Lösung und einer der prominentesten Astrologen der frühen achtziger Jahre, Hans-Hinrich Taeger, zog gleich mitsamt Astro-Institut nach Irland.
Andere blieben hier und erlebten im Frühling 1986, dass ihre schlimmsten Befürchtungen traurige Wahrheit wurden. Ich erinnere Lebensmittel-Panikattacken, Trockenmilch-Hamsterkäufe und die Angst vor saurem Regen.
Dabei lohnt es sich, einen Blick auf das Horoskop des ersten Super-GAUs in der Geschichte der Menschheit zu werfen.
Super-GAU Tschernobyl, 26. April 1986, 1.23 Uhr (R3T/S), Tschernobyl, UKR
Datenquelle: Wikipedia
Auffällig ist die Opposition von Sonne und Pluto und diese Opposition wird besonders interessant, wenn das Horoskop Marie Curies zusätzlich betrachtet wird. Für die, die`s nicht wissen: Marie Curie war Physikerin und untersuchte gemeinsam mit ihrem Mann Pierre als erste die Folgen der radioaktiven Strahlung. Für ihre Forschungen wurde dem Ehepaar der Nobelpreis verliehen.
Marie Curie, 7. November 1867, 12.00 Uhr (LMT), Warschau, PL
Datenquelle: Astrodatabank mit einem AA-Rating
Curies Horoskop zeigt ebenfalls eine Sonne-Pluto-Opposition, jedoch genau umgekehrt. Die Sonne befindet sich hier im Zeichen Skorpion und der Pluto im Stier, das Ganze nur um einige Grade versetzt. In Marie Curies Radix steht Uranus direkt am AC. Im Horoskop der Kernschmelze von Block 4 sehen wir Uranus am AC.
Astrologisch gesehen geht es in beiden Horoskopen um die Frage, welche Energie das Leben (Sonne) bedroht? Diese Energie ist Pluto, der Gott der Unterwelt. Marie Curie starb an den Strahlen, die sie untersuchte. Und in Folge des Super-GAUs passierte mit der Freisetzung von Radioaktivität etwas Ungeheuerliches. Alles Lebendige wurde nämlich aus Angst vor den Strahlen, die man nicht sehen kann, zutiefst suspekt. Wie Peter Orban in seinem Buch zu Pluto schreibt, ging ein Gespenst in Europa, ein Gespenst namens „Millirem“.
Und während die Atomindustrie zu beschwichtigen versuchte, damals wie heute, kamen plutonische Veränderungsprozesse in Gang. Als ein Beispiel sei hier nur die Geschichte der Elektrizitätswerke Schönau genannt.
Pluto als langsam-laufender Planet braucht seine Zeit, Jahre und Jahrzehnte. Es ist schmerzhaft und mühselig, sich mit Plutos Forderungen auseinanderzusetzen. Denn es geht um den Abstieg in die Unterwelt, um die Auseinandersetzung mit dem Schatten und es geht um`s Loslassen. Es geht um die Erkenntnis, dass wir nicht alles haben und besitzen können.
Doch wenn es gelingt, wenn wir uns auf plutonische Prozesse einlassen, loslassen und der Angst vor dem Leben und dem Tod begegnen, dann kann Veränderung geschehen. Und diese ist – damals wie heute – bitter nötig.