Im tibetischen Buddhismus und bei den Indianern spielen Mandalas eine wichtige Rolle in den religiösen Zeremonien. Mandala ist ein Wort aus dem Sanskrit, die Übersetzung bedeutet kultische Kreiszeichnung. Durch ihren besonderen Aufbau und ihre Struktur fördern sie die Konzentration auf ein inneres Zentrum. Ein Zitat von Carl Gustav Jung verdeutlicht, wie Mandalas bewusst eingesetzt werden können, um sich auf den inneren Wesenskern zu konzentrieren.
„Wie schon erwähnt heißt Mandala Kreis. Es gibt viele Varianten des hier dargestellten Motivs, die aber allesamt auf der Quadratur des Zirkels beruhen. Ihr Grundmotiv ist die Ahnung eines Persönlichkeitszentrums, sozusagen einer zentralen Stelle im Inneren der Seele, auf die alles bezogen, durch die alles geordnet ist, und die zugleich eine Energiequelle darstellt.“ [1]

Beim Malen von Mandalas entsteht dieser Zugang zur eigenen Mitte, zu dem Teil in uns, der auch innerer Heiler genannt wird. Und weiter schreibt Jung:  „Obschon das Zentrum einerseits einen innersten Punkt darstellt, so gehört zu ihm doch andrerseits auch eine Peripherie oder ein Umkreis, der alles in sich enthält, was zum Selbst gehört, nämlich die Gegensatzpaare, welche das Ganze der Persönlichkeit ausmachen.“ [2]

Das Horoskop als Mandala

Eine Horoskopzeichnung zeigt zunächst in graphischer Form die Himmelskonstellationen für einen ganz bestimmten Augenblick. Markante Orientierungspunkte wie die vier Himmelsrichtungen sind eingezeichnet, die Bewegungen der Planeten per Computerprogramm sekundengenau auf dem Tierkreis vermessen.

Doch das Horoskop ist sehr viel mehr als nur ein astronomisches Rechenblatt, es bildet in seiner gesamten Struktur ein komplexes Symbol, das über viele Dimensionen unserer Erfahrung Auskunft gibt. Döbereiner nennt das Radix in einem Buch eine „Urkunde der Erfahrung“.

Horoskopzeichnungen bestehen ähnlich wie Mandalas aus mehreren Kreisen mit symmetrischer Aufteilung.

Wenn ich das Horoskop als Mandala betrachte und als eine Form von Meditation über mich selbst nutze, findet ein Konzentrationsvorgang statt. Ausgehend von einem inneren Wesenskern können die Gegensätze und Widersprüchlichkeiten des Lebens geordnet werden. Die Außenwelt wird dabei als etwas betrachtet, was zu uns gehört, obwohl sie gleichzeitig außerhalb und getrennt von uns existiert.

Im Folgenden werden die einzelnen Bausteine eines Horoskop-Mandalas in ihrer Bedeutung erklärt. Diese Bausteine sind der leerer Innenkreis, das Aspektebild, die Planeten, der Tierkreis und die 12 Häuser.

Leerer Innenkreis

In der Mitte des Horoskops findet sich ein Kreis, der das Persönlichkeitszentrum des Menschen symbolisiert. Die humanistischen Psychologie verknüpft die Wahrnehmung dieses inneren Zentrums mit der Entwicklung von Selbst-Bewusstsein: Ich weiß, wer ich selbst bin!

In der Mandala-Horoskopzeichnung bleibt dieser Kreis leer. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass wir dem inneren Raum eines anderen Menschen Achtung und Respekt entgegenbringen.

Aspektebild

Die roten, blauen und grünen Verbindungslinien zwischen den Planeten nennt man in der Astrologie Aspekte. Aspekte ergeben sich durch die Aufteilung des Kreises in mathematische Winkel. Sie beschreiben die Art und Weise von Kommunikation zwischen den einzelnen Planeten und können als energetische Beziehungen beschrieben werden, angefangen vom Energiefluss beim Trigon bis hin zur Blockade und dem Energiestau beim Quadrat.

Die Planeten als innere Personen können sich gegenseitig unterstützen oder behindern. Sowohl die einzelnen Aspekte und Aspektefiguren als auch das Aspektebild in seiner Gesamtheit werden bei einer ganzheitlichen Deutung berücksichtigt.

Planeten

Die zehn Planeten der Astrologie sind sogenannte Wandelsterne, die sich in elliptischen Bahnen um das Zentralgestirn Sonne bewegen. Die Namen der Planeten sind, von den Hauptlichtern Sonne und Mond abgesehen, sind die Namen von Göttern und Göttinnen in der griechisch-römischen Mythologie. Die Planeten repräsentieren verschiedene Persönlichkeitsanteile, die im Innern unserer Seele bewusst und unbewusst agieren.

Jeder Mensch ist insofern eine „multiple“ Persönlichkeit, denn die Planeten verfolgen sehr unterschiedliche und gegensätzliche Ziele. Ihr gemeinsames Agieren in grundlegenden menschlichen Lebensituationen spiegelt sich in den großen Dramen, Tragödien und Mythen der griechisch-westlichen Kultur wider.

In der Anthroposophie werden die Planeten auch als kosmische Bildekräfte verstanden, während sie in der Terminologie von C.G. Jung als Archetypen bezeichnet werden, d.h. als unbewusste Urbilder des Seelenlebens.

Tierkreis

Der Tierkreis, der im Altertum „Seele der Natur“ genannt wurde, bildet in einem Horoskop als Ekliptik das kosmische Bezugssystem. Die Tierkreiszeichen sind zwölf verschiedene Grundmuster von Energien, die in sich zusammenhängend einen organischen Kreislauf von Werden und Vergehen beschreiben. Diesen organischen Kreislauf erleben wir auf der westlichen Halbkugel wie selbstverständlich als Jahreskreis mit den vier Jahreszeiten.

In der esoterischen Astrologie wird der Tierkreis auch als eine Art Zeitspeicher gesehen und mit einem geheimnisvollen klingenden Begriff, nämlich Akasha-Chronik, versehen. Einfach ausgedrückt meint man damit, dass sämtliche Erfahrungen der Erde und der Menschheit in verschlüsselter Form in den zwölf Zeichen enthalten sind. Der Tierkreis wird so zu einem Grundmodell des Lebens.

Die Tierkreiszeichen können ebenso wie die Planeten als archetypische Symbole bezeichnet werden. In der psychologischen Astrologie werden die Energien der zwölf Zeichen als Anlagekräfte gedeutet. Man könnte auch sagen, sie stehen für die Erbanlagen, also all das, was in uns angelegt ist und zur Verwirklichung drängt.

Häuserkreis

Der äußere Kreis der zwölf Häuser bildet das irdische Bezugssystem. Die Berechnung der Häuser beruht darauf, dass wir das kosmische Geschehen auf einen Ort der Erdoberfläche, nämlich den Geburtsort beziehen. Die Grundlage jedes Häusersystems ist die Aufteilung in vier Quadranten. Die Zahl vier und das Quadrat waren in allen alten Kulturen immer ein Symbol für die Orientierung im Raum und gleichzeitig für die materielle Ebene des Daseins.

In der Astrologie werden die Häuser als konkrete Alltagserfahrung gedeutet. Esoterisch gesehen werden die Häuser in dem Moment wirksam, in dem sich die Seele inkarniert. Inkarnation leitet sich vom lateinischen „incarnare“ ab und bedeutet wörtlich übersetzt: „ins Fleisch treten oder Fleisch werden.“

Die Seele eines Menschen nimmt mit der Geburt einen Körper an, um während einer bestimmten Zeitspanne auf der Erde Lernerfahrungen zu machen. Diese Lebensaufgabe oder Lernerfahrung ist das Kreuz, mit dem wir geboren werden und dass wir Zeit unseres Lebens tragen müssen. Astrologisch wird diese Tatsache sichtbar an den Eckpunkten des Raumkreuzes, dem Aszendenten (AC) und dem Medium Coeli (MC).

Der Kreis der Häuser beschreibt somit unsere Beziehung zur Welt, die uns umgibt. Die zwölf Häuser stehen für die Umwelt und die Umweltbedingungen, in die wir mit unseren Anlagen hineingeboren werden.

Weg zur Mitte

Je mehr wir zum inneren Kern des Horoskopes vordringen, umso mehr lernen wir, uns von den Wertvorstellungen der Umwelt frei zu machen und unser wahres Ich zu entdecken. Die Konzentration auf die Mitte des Horoskops ist der Weg von Außen nach Innen, ist der Weg zum Selbst, zur Erfahrung des inneren Wesens-Zentrums.

Anmerkungen

[1]

C.G. Jung Mandala – Bilder aus dem Unbewussten, Olten 1977, S. 81

[2]

C.G. Jung Mandala – Bilder aus dem Unbewussten, ebd.

Dieser Artikel wurde mit dem Start von Astrologos am 17. Juli 2002  veröffentlicht, er erschien außerdem in der 13. Ausgabe der Astrologiezeitschrift „Astroforum Sternzeit“ Ende 2002.

Bildquelle: Mandala von Monika Meer. Die Horoskopgrafik wurde mit Galiastro erstellt.