Happy Birthday Pierre Bourdieu!

Pierre Bourdieu ist ein französischer Soziologe, der das Alltagsleben erforschte und in seinen Theorien subjektive Faktoren mit objektiven Gegebenheiten zu verbinden suchte.

Horoskop von Pierre Bourdieu

Pierre Bourdieu, 1. August 1930, 1.00 Uhr (GDT), Denguin, F
Datenquelle: Astrodatabank mit einem AA-Rating

Analog dazu findet sich im Horoskop eine starke Besetzung der Wasserhäuser (die subjektiven Faktoren) mit einer Löwe-Sonne in Haus 4 und einem Aszendent in Zwillinge mit Mars im ersten Haus (Luft als Element der Objektivität). (mehr …)

Rebellinnen, Grenzgänger, Grenzüberschreitungen

29. Februar 2008, 19.00 – 20.30 Uhr

Über die aktuelle Rezeption von Neptun und Uranus, politische und globale Konsequenzen und warum es unbedingt notwendig ist, quer zu denken, gegen den Strom zu schwimmen und rebellisch zu handeln.

Preis: 10,- Euro

IAG Bochum
Herner Str. 88
44791 Bochum

Sonne und Mond

Die „Hauptlichter“ und ihre Deutung im Horoskop
28. und 29. Mai 2005 in Bochum

Sonne und Mond sind die beiden großen polaren Kräfte in der Astrologie. Sie erzählen von der Notwendigkeit gelebter Autonomie (Sonne) und dem Drang, sich hinzugeben und fallen zu lassen (Mond).

Die psychologische Astrologie spricht hier von einem Erwachsenen-Ich und dem kindlichen Gefühls-Ich. Beide Pole sind gleichermaßen wichtig für unser Wohlbefinden, werden aber oft als unvereinbare Gegensätze erfahren.

Das Horoskop kann hier verschiedene Wege aufzeigen, wie wir Freiheit und Geborgenheit in Einklang bringen und den vermeintlichen Widerspruch von Mond und Sonne auflösen können. Ziel des Wochenendes ist es, die entsprechenden Deutungsmethoden kennen zu lernen und in der Beratungspraxis anzuwenden. Gleichzeitig geht es darum, Sonne und Mond im eigenen Horoskop zu erfahren.

Preis: 145,- €

IAG Bochum
Hernerstr. 88
44791 Bochum

Glück und Reichtum im Horoskop

Wochenendseminar

20. und 21. Mai 2006 in Bochum

„Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit.“ 
Das Geburtshoroskop als ein umfassendes Symbol der Persönlichkeitsstruktur erlaubt es, diese Angst vor dem Licht und damit die Angst vor Glück, Fülle und Reichtum im Leben bewusst zu machen. Mit Hilfe gezielter astrologischer Methoden geht es an diesem Wochenende darum, die persönliche Vision eines erfüllten Lebens zu erkennen, ein Gespür für Wertvorstellungen und den eigenen Selbstwert zu bekommen. In einem zweiten Schritt werden Selbstbehinderungen und Blockaden in die Sichtbarkeit gebracht.

Ziel des Seminars ist es, ungelebte Potenziale für ein glückliches Leben zu entdecken – und den Mut, der Großartigkeit und Fülle des Lebens zu vertrauen.
Bitte bringen Sie ihr Geburtshoroskop mit. Falls Sie noch keines haben, geben Sie bitte bei der Anmeldung ihre Geburtsdaten (Tag, Jahr, Zeit und Ort) an.

Obiges Zitat stammt übrigens von Nelson Mandela, der unter dem südafrikanischen Apartheidsregime 27 Jahre seines Lebens in Gefangenschaft verbracht hat.

Preis: 160,- €

IAG Bochum
Hernerstr. 88
44791 Bochum

In eigener Sache

Liebe Leserinnen und Leser!

Die WM ist vorbei und eine deutsche Mannschaft hat uns gelehrt, wie Krisen zu meistern sind: der Star ist das Team und die Hierarchien bleiben flach. Uranus im Widder lässt grüßen! Doch nicht nur die Hitze und viele begeisternde Fußballspiele sind schuld daran, dass es hier wenig Neues in den letzten Wochen zu lesen gab.

Am kommenden Wochenende feiert Astrologos den achten Geburtstag. Und zur Feier des Tages bekommen die Neptunwelten und Astrologos ein neues Design geschenkt. Seit Wochen wird hinter den Kulissen eifrig gearbeitet, um das alte CMS (Content Management System) von Astrologos umzuziehen.

Astrologos hat mittlerweile auch eine Facebook-Seite und wer möchte, kann dort erste Screenshots sehen und den Countdown beobachten.

Polaritäten im Horoskop

Die Idee der Polarität als ein Grundgesetz des Lebens ist in der asiatischen Philosophie tief verwurzelt. Im vierten Jahrhundert vor Christus entstanden die Lehren des Taoismus als philosophisches und zugleich religiöses System in China. Lao Tse und ZhuangZi gelten als ihre Begründer.

Nach Ansicht der Taoisten bildet der DAO oder TAO den Urgrund allen Seins. Die Lehre von den zwei Grundkräften Yin und Yang, die aus der Einheit des DAO entstehen, gehört ebenso zum Taoismus wie die fünf Elemente und das daraus entstehende System der Wandlungen. Indem die fünf Elemente sich wechselseitig beeinflussen, entstehen acht Trigramme.

Diese Trigramme können miteinander kombiniert werden und so entstehen insgesamt 64 Hexagramme, die wiederum im chinesischen Buch der Wandlungen, im I GING, ausführlich beschrieben werden. Damit ist das I Ging mehr als nur ein Orakelbuch, es beschreibt die Wechselwirkungen zwischen Makro- und Mikrokosmos und entspricht in seinen Kerngedanken dem berühmten „Panta Rhei“ des Heraklit. Soviel in aller Kürze zur chinesischen Philosophie.

Innerhalb dieser Kosmologie findet der Mensch seinen Platz und seine Aufgabe. Bemerkenswert ist die Einschätzung, dass der Mensch durch seinen Willen und sein Wissen fehlgeleitet werden kann. Deshalb sollte er lernen, die eigene Natur bedingungslos anzunehmen. Dies geschieht durch absichtsloses Nicht-Tun, das sogenannte WUWEI.

 

Yin und Yang als polare Grundkräfte

Die beiden Grundkräfte des Lebens Yin und Yang lassen sich wie folgt beschreiben: Yin ist Gestalt (also Körper) ohne Bewusstsein und Bewegung, Yang ist Bewusstsein und Energie, hat aber keine Gestalt und benötigt das Yin als Gefäß. Das Leben dauert nur solange, wie Yang das Yin bewegt und Yin dem Yang als Körper zur Verfügung steht; wenn die beiden Ursubstanzen sich trennen, steigt Yang in den Kosmos empor und Yin bleibt als tote Materie auf der Erde zurück. Einige Schlüsselbegriffe und ein Bild verdeutlichen die Polarität von Yin und Yang.

Yin

weiblich, dunkel, passiv,
empfangend, feucht, 
Mond, Wasser, Wolken
Tiger, Schildkröte, schwarz, der Norden,
die geraden Zahlen

Yang

männlich, hell, aktiv 
schöpferisch, trocken,
Sonne, Feuer
Drachen, rot, der Süden,
die ungeraden Zahlen

Unserem westlichen Denken erscheint diese Sichtweise zunächst fremd, da wir es gewohnt sind, das Leben zu meistern, indem wir analysieren, steuern und kontrollieren. Wir eignen uns Wissen an, um Probleme effektiv zu lösen. Wir setzen unsere Willenskraft ein, damit das Leben entlang unserer Ziele gestaltet werden kann. Und die taoistische Haltung des absichtslosen Nicht-Tuns wird leicht verwechselt mit Nichts-Tun, also mit der Unart, Probleme auszusitzen oder sich hängen zu lassen.

Hinzu kommt, dass wir aufgrund unserer Denkgewohnheiten schnell geneigt sind, Yin und Yang als statische Gegensätze zu begreifen. Dabei verkennen wir, dass es gerade die Veränderung ist, die den Kern der asiatischen Lehren bildet. Yin und Yang sind keine feindlichen, sondern polare Kräfte, die einander ergänzen. Die Wandlungszustände, das periodische Anwachsen und Abnehmen von Yin und Yang und deren Zusammenspiel sind Kennzeichen des Lebendigen, das Leben wird als Fluss und permanenter Prozess von Veränderungen erfahren.

Im menschlichen Körper lässt sich die Polarität von Yin und Yang gut beobachten, selbst die Wandlungszustände finden wir bei einigen Funktionen. Beispielsweise arbeitet das vegetative (oder autonome) Nervensystem mit zwei Gegenspielern, Sympathikus und Parasympathikus. Der Sympathikus sorgt dafür, dass sich der Mensch auf Arbeit und Leistung einstellt, er regt den Stoffwechsel an und setzt Energie frei.

Der Parasympathikus hingegen hat die Aufgabe, den Körper auf Ruhe und Erholung einzustellen, den Stoffwechsel zu bremsen, er regt die Verdauung an und sorgt so dafür, dass Nährstoffe gespeichert werden. Beide Gegenspieler sind immer gleichzeitig tätig, ergänzen sich aber in ihrer Arbeit. Tagsüber ist der Sympathikus bedeutend aktiver. Nachts und nach dem Essen überwiegen die Aktivitäten des Parasympathikus. Spannung und Anspannung bilden einen Pol des Lebens, Entspannung fungiert als Gegenpol.

 

Polaritäten im Tierkreis

Die chinesische Sichtweise von den Polaritäten des Lebens kann enorm befruchtend für eine westliche Astrologie sein. Festlegende Deutungen verändern sich, wenn wir zulassen, dass sich unsere Wahrnehmung von den Dingen ändert. In der praktischen, beratenden Arbeit wird der Blick mehr auf die Prozesse gerichtet und weniger auf statische Zustandsbeschreibungen.

Ich möchte am Beispiel des Tierkreises konkreter zeigen, was mit diesem „Kulturtransfer“ gemeint ist. Schon im frühen Altertum wurden die zwölf Zeichen abwechselnd als männlich und weiblich definiert.

Auf das männliche Feuerzeichen Widder folgt das weibliche Erdzeichen Stier, das Luftzeichen Zwillinge ist männlich, es folgt das weibliche Wasserzeichen Krebs. Das Feuerzeichen Löwe ist wiederum männlich, Jungfrau als Erdzeichen weiblich.

Die Feuer- und Luftzeichen (Widder, Löwe, Schütze und Zwillinge, Waage, Wassermann) entsprechen dem Yang-Pol, die Erd- und Wasserzeichen sind Yin-Kräfte.

Eine neue Perspektive entsteht, wenn die Oppositionen im Tierkreis, z.B. zwischen Feuer (Widder) und Luft (Waage) oder Erde (Stier) und Wasser (Skorpion) aus dem Blickwinkel des Taoismus betrachtet werden. Üblicherweise sind Oppositionen Hinweise auf Konflikte und Spannungen, die unangenehm sind und oft genug unlösbar erscheinen. Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust! Und sie verursachen Leid und Schmerz. Wenn die Spannung nicht ertragen werden kann, wird häufig ein Persönlichkeitsanteil abgespalten und ist dem Bewusstsein nicht mehr zugänglich.

In einer von östlichen Weisheitslehren inspirierten Deutung bleiben die Oppositionen zwar immer noch Gegensätze, aber es fällt leichter, ein Problem oder eine Einseitigkeit als produktive Spannung zu begreifen. Der Blickwinkel ändert sich und es kann Hilfestellung geboten werden, damit der Mensch durch den Druck, den er verspürt, nicht mehr blockiert wird, sondern nach einem lebendigen Gleichgewicht der Gegensätze suchen kann.

 

Polaritäten in der astrologischen Praxis

In der praktischen Deutungsarbeit sind dazu drei Schritte notwendig.

1. Ein Ungleichgewicht wird im Horoskop festgestellt, beispielsweise ist ein Tierkreiszeichen oder Haus durch eine starke Besetzung von Planeten überbetont.

2. Als nächstes wird das Zeichen oder Haus angeschaut, dass genau gegenüberliegt? Wie zeigen sich die Inhalte des unterbetonten Zeichens? Finden sich hier Lebensbereiche und Themen, die vermieden oder vielleicht sogar abgelehnt werden?

3. In einem dritten Schritt kann nach Lösungen gesucht werden, hierbei kann der ratsuchende Klient unterstützt werden, die Energien des nicht gelebten Zeichens wachzurufen, idealerweise muss er dabei nicht frontal die angstbesetzten Themen angehen. Es geht vielmehr darum, Wege aufzuzeigen, wie das unterbetonte Prinzip gestärkt werden kann, so dass durch neue Aktivitäten ein ausgewogenes Miteinander der Polaritäten entstehen kann.

 

Polarität von Widder und Waage im Tierkreis

Am Beispiel der Widder-Waage-Achse im Horoskop soll diese Vorgehensweise erklärt werden. Das Thema der Widder-Waage-Achse manifestiert sich in folgendem Sprichwort: „Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

Anders ausgedrückt, ruft der Wunsch nach andauernder Harmonie stets den Gegenspieler, möglicherweise in Form eines bösen Nachbarn, auf den Plan. Hinter diesem Sprichwort verbirgt sich deshalb auch die Einsicht, dass eine harmonische Atmosphäre nur dann echt ist, wenn Konflikte ausgetragen werden, andernfalls bildet sich eine Scheinharmonie, die meist damit einhergeht, dass Konflikte unter den Teppich gekehrt werden – und dort munter weiterbrodeln.

Häufig finden wir beim Waage-betonten Menschen eine Angst vor Auseinandersetzung und Streit. Um die Widder-Energie zu stärken, empfiehlt sich beispielsweise jede Art von Leistungssport, Kampfsport oder körperliche Bewegung. Aber auch die Farbe Rot oder eine scharf gewürzte Mahlzeit bringt die Kraft des Widders ins Leben. Ferrum sidereum (Meteoreisen) ist ein anthroposophisches Heilmittel und kann wie alle anderen Ferrum-Mittel die Widder-Anteile stärken und beleben. So ist das homöopathische Eisen (Ferrum metallicum) ein erprobtes Mittel bei Anämie, einem Krankheitsbild, das wiederum mit einem Mangel an roten Blutkörperchen einhergeht.

Mit den Analogieketten zu den zwölf Zeichen verfügt jede praktizierende AstrologIn über ein breites Spektrum an Hinweisen, wie einzelne Prinzipien gestärkt werden können. So lassen sich im Gespräch mit Klienten verschiedenste Lösungsvorschläge erarbeiten und Wege aufzeigen, wie die Lernaufgabe einer Opposition kreativ bewältigt werden kann.

Es folgen einige Ideen und Stichworte zu den anderen Polaritäten im Tierkreis.

Stier und Skorpion

Sinnlicher Genuss ist eine wunderbare Sache, wenn ich den passenden Zeitpunkt finde, um aufzuhören. Die Gier nach immer mehr ist ebenso hinderlich wie die asketische Verweigerung der lustvollen Seiten des Lebens. Es geht darum die schönen Dinge des Lebens im Hier und Jetzt zu genießen, ohne sie für alle Ewigkeiten festzuhalten zu wollen.

Zwillinge und Schütze

Man kann tausend Bücher lesen, ohne schlauer zu werden. Der Versuch, alle Facetten eines Themas zu erfassen, wird zu Verwirrung und Verzettelung führen, wenn es nicht gelingt, ein sinnvolles Ordnungsschema zu finden Es geht darum, eine persönliche Philosophie zu entwickeln, in der die unzähligen Details, die gesammelt werden, als Puzzleteile und Bausteine eines größeren Ganzen gesehen werden.

Krebs und Steinbock

Gefühl und Härte sind zwei Seiten einer Medaille. Die Fähigkeit zur emotionalen Distanz und ein gesundes Maß an Eigenverantwortung sind Voraussetzungen, um echte Nähe mit anderen Menschen zu teilen. Der Wunsch, sich am Partner festzuhalten, das Anklammern beruht oft auf einer Angst vor dem Allein-Sein, für gewöhnlich führt die übergroße Abhängigkeit jedoch beim Gegenüber zu einem deutlichen Nein und zur Abwehr von Nähe.

Löwe und Wassermann

Teamfähigkeit und gleichberechtigtes Miteinander kann nur entstehen, wenn sich selbständige Individuen zu gemeinsamem Handeln und Tun entschließen. Andernfalls findet man immer wieder einen Leitwolf inmitten einer Herde von Schafen, die den Anführer suchen.

Jungfrau und Fische

Die alltäglichen und zuweilen als lästig empfundenen Pflichten erscheinen erst dann als sinnvoll, wenn der Zugang zur tieferen Bedeutung der Arbeit gefunden wird, wenn die Pflichterfüllung in einen sinnstiftenden Kontext gestellt wird.

Dieser Artikel erschien in der 38. Ausgabe der Astrologiezeitschrift “Astroforum Sternzeit” Anfang 2009.

Zu den Bildquellen:
Das erste Bild mit den acht Trigrammen des I Ging ist der Wikipedia entnommen.

 

 

 

Olga von Ungern-Sternberg

Am 24. November 1995 feierte Frau Dr. med. Olga von Ungern-Sternberg ihren hundertsten Geburtstag. Viele DAV-Mitglieder, insbesondere ältere Kollegen und Kolleginnen, kannten sie als Vortrags-Rednerin von den Astrologie-Kongressen in den siebziger und achtziger Jahren.

Als homöopathische Ärztin hat Frau Ungern-Sternberg bis zu ihrem 93. Lebensjahr täglich Patienten behandelt. Jeden Freitag abend hielt sie in ihrer Praxis astrologische Vorträge über die Horoskope berühmter Persönlichkeiten. Nach einer schweren Krankheit zog sich die Doktorin ab 1989 allmählich aus der Praxisarbeit zurück und übergab zum 1. Januar 1994 ihre Praxis offiziell an eine Nachfolgerin.

 

Kindheit und Jugend

Am 24. November 1895 um 12 Uhr 56 (GMT) wurde sie als Olga Thümmel in Berlin-Lichterfelde geboren.

Ihr Vater war als Offizier im Dienste des preußischen Königs tätig. Er starb in den ersten Monaten des ersten Weltkrieges. Wie die gesamte geistige Elite Deutschlands, so hat auch Frau von Ungern-Sternberg den Beginn des ersten Weltkrieges als einen ungeheuren Einbruch erlebt, alle Jugendfreunde und ihr Vater starben in diesem Krieg.

Sie selbst absolvierte zu Kriegsbeginn eine Pflegeausbildung und arbeitete als Rote-Kreuz Schwester im Lazarett. 1916 begann sie als eine der ersten Frauen in Deutschland ein Medizinstudium, 1920 machte sie ihr Staatsexamen und ließ sich anschließend in München bei Dr. Freiherr von Gebsattel zur Psychotherapeutin ausbilden.

 

Die golden zwanziger Jahre

Im Verlauf der nächsten Jahre entwickelte sie die Grundzüge ihres Weltbildes und darauf aufbauend ihrer therapeutischen Arbeit. Das Jahr 1923 spielte hier eine wichtige Rolle, zunächst entdeckte sie die Astrologie und oft beschrieb sie selbst diese Entdeckung als ein Schlüsselerlebnis, das ihr zum einen half, die Schrecken des Krieges zu verarbeiten, zum anderen fühlte sie sich gleich vertraut mit der astrologischen Bildersprache: „Es war so, als ob ich mich nur erinnern müßte.“ Sie fand in den Bildern der Astrologie eine Beziehung zum Kosmos und hat ein Leben lang dieses Wissen als eine innere Kraftquelle für sich nutzen können.

Außerdem heiratete sie 1923 den Freiherrn von Ungern-Sternberg. Und lernte im selben Jahr Graf Hermann Keyserling kennen, der sie mit den Pionieren der damaligen „spirituellen Szene“ bekannt machte. In Keyserlings „Schule der Weisheit“ hielt Frau Dr. von Ungern-Sternberg auch einen ihrer ersten Vorträge, und zwar zur einheitlichen Wirklichkeit des biologischen und psychischen Geschehens. Diese Thematik bildete auch den Kern ihres 1928 erschienenen Buches „Die innerseelische Erfahrungswelt am Bilde der Astrologie“.

In diesem Buch entwickelte sie Grundlagen einer psychologischen Astrologie in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen psychoanalytischen Richtungen der zwanziger Jahre.

 

Die Leipziger Jahre

1929 ging sie nach Leipzig, um nach Jahren der klinischen Arbeit und Urlaubs-Vertretungen für andere Ärzte eine eigene Praxis zu gründen. Ein Jahr später wurde ihr Sohn Manfred geboren, der heute in Detmold als homöopathischer Arzt arbeitet. Hier in Leipzig blieb Frau von Ungern-Sternberg bis 1955. Unbeeinflußt von äußeren Widrigkeiten arbeitete sie als praktische Ärztin und Psychotherapeutin. Kurz nachdem sie sich niedergelassen hatte, begegnete sie zunächst der Homöopathie und dann der anthroposophischen Medizin.

Und ebenso intuitiv, wie sie sich die Astrologie angeeignet hatte, lernte sie nun mit den potenzierten Mitteln die kranken Menschen zu behandeln. Sie war sehr erfolgreich und beliebt als Ärztin und oft arbeitete sie bis spät in die Nacht, um noch Patientenhoroskope fertigzustellen oder die griechische Mythologie zu studieren.

Denn schon in den dreißiger Jahren arbeitete sie an einer astropsychologischen Deutung der 12 Taten des Herakles, die dann in ihrem wohl wichtigsten Buch unter dem Titel Grundlagen kosmischen Ich-Bewußtseins (1977) erschien.

Als unter dem Nationalsozialismus die Astrologie verboten wurde, verlegte sie ihre astrologische Tätigkeit in die Nachtstunden. Nur wenige Vertraute wussten von den geistigen Grundlagen ihres ärztlichen Schaffens.

Nach der Gründung der DDR wurde ihre Arbeit erneut behindert, dieses Mal durch ein Verbot der anthroposophischen Heilmittel. Über viele Jahre wurden diese nun heimlich in den Osten gebracht. Die Firmen Wala und Weleda verzichteten auf eine Bezahlung, um die Arbeit der Doktorin zu unterstützen.

1955 wurde ihr die Atmosphäre in der „Ostzone“ zu unfrei, wie sie selbst gerne erklärte. Im Alter von sechzig Jahren, nach der zweiten Saturn-Wiederkehr, verließ sie Leipzig mit zwei Koffern, nachdem sie zuvor das Orakel des I Ging befragt und das I Ging mit dem Zeichen Nr. 4 Mong/Die Jugendtorheit geantwortet hatte.

Zunächst fuhr sie nach München zu ihrem Sohn, der dort Medizin studierte. Als dann einige Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft in Bochum ihr Praxisräume anbieten konnten, kam sie nach Bochum in die Kortumstraße 25, wo sie bis 1997 leben und praktizieren sollte.

 

Die Bochumer Jahre

In Bochum begann ein neuer Abschnitt ihres Tuns, nachdem sie Mitte der sechziger Jahre auf einer Tagung von Ärzten und Seelsorgern Hermann Weidelener kennenlernte. Weidelener war ein Schüler Rudolf Steiners und hatte in Augsburg die Religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft begründet. Zwei verwandte Seelen und Geister trafen aufeinander und es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft und Verbindung.

Hermann Weidelener lud sie ein, auf Schloß Weidenkam Vorträge über die griechische Mythologie zu halten. Und nachdem dort eine Vortragsreihe stattgefunden hatte, war der Impuls für die Vortragstätigkeit der nächsten zwanzig Jahre und die Buchveröffentlichungen 1977 und 1983 gegeben.

Obwohl für Astrologen die Sternenschrift im Heraklesmythos (so lautet der Titel der zweiten Auflage) auf den ersten Blick ergiebiger erscheint, lohnt es sich doch auch, die Sternenschrift im Gralsgeschehen zu lesen. Nicht zuletzt ist die Geschichte vom heiligen Gral und das Wissen um dieses Symbol für Frau von Ungern-Sternberg selbst eine lebenslange Kraftquelle gewesen. Außerdem erzählen die Geschichten vom Fischerkönig Amfortas und Parzifal, dem „tumbem Toren“ in bildhafter Form vom Weg der Selbstentwicklung, von Krankheiten und dem Heilwerden, kurz von den Themen und Fragestellungen, die im Zentrum des Leben von Frau Dr. von Ungern-Sternberg gestanden haben.

Dieser Artikel wurde im Herbst 1995 in der Astrologie-Zeitschrift Meridian-Magazin veröffentlicht, Anlass war der 100. Geburtstag von Frau von Ungern-Sternberg. Es war der erste Artikel zum Start von Astrologos am 18. Juli 2002.

P.S. Frau von Ungern-Sternberg verstarb am 22.11.1997. Einen Nachruf können Sie auf den Seiten des Online-Magazins Sternwelten lesen.

 

 

Astro-Buch-Tipps für Einsteiger

Fast jeder kennt sein Tierkreiszeichen. Und vielleicht noch den Aszendenten. Zu einem richtigen Horoskop gehört aber noch viel mehr. Es zeigt die Himmelskonstellationen für einen ganz bestimmten Zeitpunkt, Sonne, Mond und acht andere Planeten mit ihrer Position im Tierkreis. Ein solches Horoskop können Sie hier zum Beispiel kostenlos berechnen.

Die erste Hürde ist genommen, wenn Sie ihr Horoskop mit allen Planetenständen, einem Aszendenten und Häusern in den Händen halten. Doch wie geht es weiter?

Astrologie ist ein komplexes Symbolsystem und eine Bildersprache, die unserem intellektuellen Denken sehr fremd ist. Außerdem gibt es zahlreiche Bücher und verschiedenen Astrologieschulen, die auf den ersten Blick gegensätzliche Dinge behaupten. Manch einer sieht da den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Die Astro-Buchtipps sind als Wegweiser und erste Orientierung gedacht, um eine Schneise in den Wissenswald zu schlagen. Alle Tipps sind mit einem kurzen Kommentar im Sinne einer Einschätzung und Inhaltsangabe versehen.

Viel Spass bei Ihrer ganz persönlichen Entdeckungsreise in die Welt der Astrologie!

Und vielleicht meditieren Sie kurz über die Karte der acht Schwerter, damit Sie „mit einem Fuß im Wasser“ alle Infos finden, die Sie jetzt gerade brauchen.

 

Liz Greene – Sag mir dein Sternzeichen und ich sage dir, wie du liebst

Liz Greenes Londoner Centre for Psychological Astrology (CPA) gilt weltweit als eine der besten Astrologieschulen und als Autorin hat Liz Greene eine ganze Generation von Astrologen geprägt. In ihrem Buch mit dem leicht missverständlichen Titel beschreibt sie die zwölf Tierkreiszeichen aus der Perspektive jungianischer Psychologie. Es ist bestens geeignet, um einen lebendigen ersten Eindruck von den Möglichkeiten der psychologischen Astrologie zu bekommen.

 

Nicolaus Klein / Rüdiger Dahlke – Das senkrechte Weltbild

Das erste Kapitel dieses Buchs sei jedem Anfänger der Astrologie ans Herz gelegt. Denn hier wird in einfachen Worten das analoge Denken der Astrologie erklärt. Dabei löst sich der weit verbreitete Irrglaube, Astrologen würden in kausaler Denkmanier einen konkreten Einfluss der Gestirne festschreiben, schnell in Wohlgefallen auf. Statt dessen erscheint die einstige Königin der Wissenschaften als das, was sie in ihrem Kern auch heute noch ist: ein Weg, sich selbst zu erkennen und sein Leben zu gestalten. Weiter gibt es eine ausführliche Beschreibung der Planeten als Götter der griechisch-römischen Mythologie und Tabellen zu den Analogieketten der Astrologie für nahezu alle Lebensbereiche.

 

Stephen Arroyo – Astrologie, Psychologie und die vier Elemente

Stephen Arroyo zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der amerikanischen Astroszene. Er verbindet Therapieansätze der humanistischen Psychologie mit Astrologie. Sein Buch definiert Astrologie als eine Sprache der Energien. Die vier Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser werden ausführlich dargestellt. Als Waage liebt Arroyo den lockeren, humorvollen Plauderton, so macht es Spaß, seine Bücher zu lesen. Kein Tiefgang erforderlich!

 

Peter Orban – Drehbuch des Lebens

Peter Orban ist einer der wenigen Astrologen, die sich als Schüler von Wolfgang Döbereiner outen. Der Umgang mit Schattenthemen steht in diesem und in vielen anderen seiner Bücher im Zentrum. Es geht um Selbsterkenntnis und Innenschau, Esoterik im eigentlichen Sinne dieses Wortes, doch ohne die üblichen Selbsttäuschungen. Dabei benennt der Autor unangenehme Wahrheiten mit seinem ganz eigenen Humor. Das Drehbuch des Lebens dürfte besonders die Skorpione unter uns ansprechen. Darüber hinaus alle, die gleich ans Eingemachte wollen.

 

Hermann Meyer – Astrologie und Psychologie

Hermann Meyer hat das System der Münchener Rhythmenlehre vereinfacht und reduziert. Die Methode der Transaktionsanalyse ist hier sein theoretischer Background, um die zwölf Urprinzipien der Astrologie anschaulich und lebensnah zu erklären. Zwar lädt sein Buch dazu ein, das komplexe System der Astrologie auf wenige Schlagworte zu reduzieren. Trotzdem Pflichtlektüre für alle, die psychologische Astrologie betreiben möchten.

 

 Siegfried Rabe – Alles Astrologo Leute!

Das Alf Astrologiebuch oder auch Buch der Sterne für alle Wesen ohne Fell ist eine der nettesten Einführungen in die Astrologie, die ich je gelesen habe. Kleine Kostprobe: „Jetzt wird es ernst, den jetzt rede ich über ein Sternbild, das von allen Astrologen für das wichtigste, witzigste, warzigste, warmherzigste, wohlgeratenste und wunderlichste gehalten wird.“ Na, wer kann das wohl sein? Es ist natürlich das Sternzeichen von Alf himself. Und das kann nur der großmäulige Schütze sein. Und wie soviele Schützen hat auch Alf die Astrologie richtig studiert, 12 Jahre lang auf seinem Heimatplaneten Melmac.

 

Die „Buchtipps für Einsteiger“ gehören zu den ersten Astrologos-Artikeln und wurden am 12. März 2003 publiziert. Inzwischen habe ich gemeinsam mit Thomas Kühne die „Fabelhafte Astrologie“ verfasst. Sie ist im Frühjahr 2014 erschienen und wurde in den Fachzeitschriften sehr wohlwollend besprochen, Informationen zu diesem Astrologie-Buch finden Sie auf dieser Seite, in dem sie auf diesen Link klicken.

 

Utopia – die Landschaft des elften Hauses

Das elfte Haus gilt in der astrologischen Literatur als „Haus der Freunde“. Hier sucht der Mensch Gleichgesinnte, trifft sich mit Kunstfreunden, Gartenliebhaberinnen, Mountainbikern, geht zum Heimspiel des Vfl, ist Mitglied eines Robbie Williams-Fanclubs oder der Karl-May-Gesellschaft.

Vereine, Organisationen, Parteien und Parteigenossen, aber auch gesellschaftliche Utopien sind Angelegenheiten dieses Hauses. Hier ist die Freundschaftsliebe zuhause, die von den alten Griechen Philia genannt und vom Eros abgegrenzt wurde.

In der klassischen Astrologie werden zusätzlich Begriffe wie Wohltat und Hoffnungen angeführt. „Freundschaft, Unterstützung mächtiger Herren, Vertrauen auf die Zukunft sind die wichtigsten Bedeutungen dieses Ortes“ und dieses Haus „galt in der hellenistischen Astrologie als der glücklichste Ort überhaupt.“ [1]

Ein paradiesischer Platz im Horoskop also, das elfte Haus. Doch kann dieses Paradies auf Erden Wirklichkeit werden? Oder ist das elfte Haus ein wirklichkeitsfernes Haus, ein Ort der Träume und für Träumer? Sind Utopien immer nur denk- und nicht lebbar?

Ich möchte Sie in diesem Artikel einladen, einige Schlüsselbegriffe genauer zu betrachten, um dem Glück des elften Hauses auf die Spur zu kommen.

 

Gruppen und das elfte Haus

Sozialwissenschaftler haben das Phänomen Gruppe genau untersucht. Sie unterscheiden zwischen Kleingruppen mit drei bis ca. 25 Personen und Vereinen wie dem Deutschen Astrologen-Verband, der ungefähr 1000 Mitglieder hat oder Parteien wie der SPD (knapp unter 600.000 Mitgliedern).

Gruppen werden definiert als funktionsfähige Gemeinschaften, die sich über mehr als nur den persönlichen Kontakt konstituieren.

Es geht also um das Miteinander, um Verbunden-Sein, um etwas, das größer ist als der Einzelne. Die persönliche Begegnung oder Bindung ist aber nicht zwingend notwendig.

Das macht Sinn im elften Haus, einem Lufthaus, das sich ja mitten im vierten Quadranten befindet. Und der vierte Quadrant gilt astrologisch wahlweise als Ort, an dem sich Schicksal bildet, als das Überpersönliche, die Gesellschaft (Thomas Ring), als Causa Finalis (Wolfgang Döbereiner) oder schlicht als Sein (API).

In Gruppen können wir erfahren, dass Gemeinsamkeit stark macht, viele Stimmen haben mehr Gewicht als eine einzelne. Ob es dabei um die staatliche Anerkennung des Astrologenberufs geht oder darum, Deutschland nie wieder in einem Krieg zu führen (die pazifistische Gesinnung war bis 1999 ein Eckpfeiler grüner Politik) ist erst einmal unerheblich. In beiden Fällen kann das Ziel mit anderen gemeinsam leichter erreicht werden als alleine. Dass trotzdem in allen Gruppen einige Mitglieder immer „gleicher“ sind als andere, gehört zum Phänomen der Gruppenbildung. Ebenso wie der fromme Wunsch, diese Tatsache möge auf einem Irrtum beruhen.

Astrologisch versierte Leser bemerken hier das Gegenüber des elften Hauses. Es ist der Egozentriker und Individualist, der im fünften Haus um seine Einzigartigkeit weiß. Doch dazu später mehr. Die Gruppendynamik beschreibt solche Phänomene, wirft Fragen auf nach Rollen im Gruppengefüge und nach Interaktionen zwischen einzelnen Rollenspielern. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ist die identitätsstiftende Funktion, die jede Gruppe für ihre Mitglieder hat. Sie kann sich auch in bestimmten Sprachstilen oder anderen Codes ausdrücken.

Insbesondere in der Literatur und Kunst haben sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts viele Gruppen gebildet, vom „Blauen Reiter“ in München über die „Brücke“ in Dresden bis hin zu den Dadaisten, die in Berlin und Zürich nach dem ersten Weltkrieg für Furore sorgten.

 

Die Avantgardisten der „Wiener Gruppe“

Die „Wiener Gruppe“ ist eine Vereinigung von Literaten, die zu Beginn der fünfziger Jahre in Wien gemeinsam auftrat und bis 1964 bestand. Mitglieder waren Friedrich Achleitner, H.C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener. In das weitere Umfeld der Wiener Gruppe gehören auch Ernst Jandl und Friederike Mayröcker.

Gemeinsames Anliegen war die Suche nach progressiven Schreibweisen im Wien der Nachkriegszeit. Gleichzeitig lehnte man die konventionelle Literatur selbstverständlich ab.

Anknüpfungspunkte fanden die Wortkünstler im literarischen Expressionismus, im Surrealismus und im Dadaismus.

Ihre theoretischen Impulse kamen aus der Sprachkritik Ludwig Wittgensteins. In ihren Arbeitstreffen setzten sich die Autoren mit dem Material „Sprache“ auseinander, in Lesungen und Happenings präsentierten sie ihre Ergebnisse: provokative Textmontagen, konkrete, akustische und visuelle Poesie, Chansons und Sketche. Der Dialekt wurde vor allem von H.C. Artmann für die Dichtung neu entdeckt. Die künstlerisch konsequente und kompromisslose Arbeit der Autoren und ihre grotesk-makabren Texte führten zu Anfeindung und Isolation. Viele Manuskripte blieben ungedruckt und gingen teilweise sogar verloren. Soviel in aller Kürze zur Geschichte dieses Literatenklubs.

Typische Merkmale von Gruppen sind hier zu beobachten. Gemeinsames Ziel der Wiener Gruppe war die Entwicklung neuer Sprachformen, wobei die gegenseitige Unterstützung die Lernprozesse jedes Einzelnen ungemein beschleunigte. Aus vielen Interviews geht hervor, wie sehr die Diskussionen als fruchtbar und anregend empfunden wurden. Zudem war es viel leichter, gemeinsam eine Öffentlichkeit herzustellen. Die Wiener Gruppe setzte für ihre „PR“ gezielte Provokationen ein und schockte das Publikum durch ihre Happenings, eine dada-ähnliche Weise der Darbietung und nicht zuletzt durch die Inhalte. Wie jede avantgardistische Vereinigung des 20. Jahrhunderts waren Artmann und Co. in ihrem Selbstverständnis der Zeit voraus und gegen jede bürgerliche und auch literarische Konvention gerichtet.

In den Gruppen des elften Hauses geht es also um Ideen und Ideologien, um Konzepte und Gedanken, die mit anderen Menschen geteilt werden. Gruppenbewusstsein entsteht. Und dieses Gruppenbewusstsein ist eine ganz andere Form von Zugehörigkeit als die Geborgenheit im „Schoße der Familie“, die dem vierten Haus zugerechnet wird. Natürlich empfinde ich im elften Haus auch eine Sicherheit, wenn ich die „Schwestern und Brüder im Geiste“ gefunden habe, doch diesen Zusammenhalt habe ich frei gewählt. Und im Unterschied zur Familie kann ich aus der Gruppe oder einem Verein wieder austreten, während Familienzugehörigkeit zwar geleugnet werden kann, aber nicht aufkündbar ist. Wie sagt man so schön: Blut ist dicker als Wasser.

Freunde, Kolleginnen und Gleichgesinnte stärken allein durch ihre bloße Existenz Identität und das Selbstbewusstsein. Das Wissen um Verbündete, die mit mir eine Idee teilen, lässt Kraft und Mut wachsen, auch um die eigene Selbstverwirklichung voranzutreiben. Hier zeigt sich die Polarität des fünften und elften Hauses von ihrer konstruktiven Seite. Während die oben erwähnte Anspielung auf George Orwells Animal Farm eher die Schwierigkeiten auf der Achse 5/11 andeutet.

 

Die Polarität des elften und fünften Hauses

Kurz zur Erinnerung, die „Farm der Tiere“ wurde von George Orwell 1946 als satirische Parabel auf die russische Okroberrevolution geschrieben. Die Tiere auf der Manor Farm haben die Nase voll davon, dass ihre menschlichen Herren sie ausbeuten. Unter dem alten Keiler Old Major planen sie die Revolution. Doch als Old Major stirbt, übernehmen die beiden Schweine Schneeball und Napoleon die Führung. Gemeinsam gehen die Tiere auf die Barrikaden und vertreiben die Menschen schließlich von der Farm. Doch Napoleon ist seine neue Macht zu Kopf gestiegen. Unter dem Deckmantel der neuen Gleichberechtigung aller Tiere baut Napoleon eine brutale und korrupte Gesellschaft auf. Seine Vorstellung von einem vermeintlich neuen System lautet: Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere….

Ist Gleichheit also eine Vision oder Utopie, die aufgrund der menschlichen Natur nicht realisiert werden kann? Obwohl Gleichheit einer der zentralen Begriffe in der Geschichte der Moderne und Kernpunkt jeder Demokratie ist! Wir finden hier ein Spannungsfeld, das sich mit den Häusern fünf und elf gut beschreiben lässt. Im fünften Haus möchte der Mensch auf kreative Art und Weise seine Wirklichkeit gestalten, Potenziale werden ausgelebt und wenn es mir gelingt, mich selbst erfolgreich auszudrücken, bin ich stolz darauf. Vielleicht werde ich sogar Experte oder Autorität in einem bestimmten Fachgebiet. Das menschliche Ich, das seine Wahlverwandten im elften Haus sucht, trifft in der Gruppe auf andere Vorstellungen. Es kommt zu Auseinandersetzungen, in denen ich einerseits lernen muss, mich zu behaupten, aber auch andere Standpunkte stehen zu lassen. Es geht ja um ein größeres Ziel, das ich mit Freunden oder Gleichgesinnten erreichen möchte, nicht um Rechthaberei.

Vielleicht mutiere ich aber auch zum Anführer einer Gruppe, weil ich mehr als andere weiß. Weil ich meine Meinung besser zum Ausdruck bringen kann! Vielleicht auch nur, weil meine Art der Selbstdarstellung besser ankommt als die eines Konkurrenten? Leithammel, denen die anderen Schafe hinterherlaufen, gibt es nicht nur auf Old Manor, Erfahrungen aus der Geschichte belegen diesen Verlauf. Autorität und Gleichheit müssen aber keinen unauflösbaren Widerspruch bilden. Eine Synthese ist möglich und wie bei allen Achsen im Horoskop geht es auch hier um einen Lernprozess.

In der deutschen Frauenbewegung gab es Ende der achtziger Jahre ein vieldiskutiertes Konzept namens Affidamento. Affidamento wird übersetzt mit wertschaffendem Anvertrauen und bezeichnet ein von Mailänder Philosophinnen entwickeltes Beziehungsmodell. Beziehungen basieren hier auf der gegenseitigen Anerkennung von Ungleichheit. Hierarchien werden also zunächst in einem ersten Schritt akzeptiert. In erster Linie geht es darum, Autorität und vor allem fachliche Autorität als etwas Positives zu sehen, wenn Autorität mit Wissen und Kompetenzen einhergeht. Indem ich einer anderen Person Kompetenz zuschreibe, kann ich von ihr etwas lernen. Im besten Falle entsteht ein gegenseitiges Geben und Nehmen, eine Vernetzung und Förderung. Vertrauen kann wachsen.

Das Modell veranschaulicht einen Lernschritt, der notwendig ist, um Gleichheit und Unterschiedlichkeit als Bereicherung zu erfahren. Ungleichheit kann positiv bejaht, unterschiedliche Potenziale können als Chance begriffen werden. Autorität muss nicht zwangsläufig mit Unterdrückung einhergehen, sie kann Beziehungen bereichern. Menschen können voneinander lernen. Dazu aber scheint es notwendig, dass das fünfte Haus – oder anders ausgedrückt – ein stabiles Selbstbewusstsein entwickelt wird. Gleichheit im elften Haus transportiert dann tatsächlich Hoffnung, Wohltat und Glück.

 

Utopisches Denken und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Deshalb ist Kulturpessimismus im elften Haus nicht angesagt, auch wenn die Geschichte mit Beispielen aufwartet, die den Menschen als intelligentes Raubtier zeichnen. Dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sein kann, dass es das „Böse“ gibt in der Welt, muss in Haus 11 nicht geleugnet werden. Doch das Ziel ist ein anderes, es gilt, über sich selbst hinauszuwachsen, den begrenzten Umkreis zu erweitern, es ist „die Erfahrung des Himmels“[2] , die der Mensch erleben kann, es geht um nichts weniger als um visionäre Ideen und Gedanken, die erst noch Wirklichkeit werden wollen. Auch deshalb ist das elfte Haus immer auf das Zukünftige gerichtet.

Zwar bedeutet Utopie wörtlich übersetzt das „Nirgendwo“, doch ohne diesen Ort, an dem eine bessere Zukunft für alle Menschen denkbar ist und ohne die Bereitschaft, sich gemeinsam mit anderen dafür einzusetzen, wäre die Welt tatsächlich ein ganzes Stück ärmer. Oder wie Oscar Wilde 1891 geschrieben hat: “ Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie lässt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird.“ [3]

 

Deutungsanregungen für das elfte Haus

Die folgenden Kurzdeutungen sind als Anregung für weitere Forschungen gedacht, verbunden mit dem Wunsch, dass Sie das elfte Haus im Horoskop produktiv und konstruktiv für sich und andere nutzen können.

Sonne in 11

Mit einer Sonne im 11. Haus sucht der Mensch nach Wahlverwandten, um sich selbst zu finden, die eigene Identität zu stärken. Gruppen und kollektive Zusammenhänge sind hier lebensnotwendig, denn im Kreis der Freunde spürt diese Sonne ihr eigenes Licht, ihre Herzenswärme.
Beispiel: die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo war lange Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei Mexikos und mit vielen Künstlern und Künstlerinnen gut befreundet.

Mond in 11

Überall da, wo Freundschaft gedeiht, fühlt dieser Mond sich wohl, aber es sind eher die geistigen Konzepte, die emotionale Sicherheit bieten, die Wahlfamilie muss keine Kuschelgruppe sein.
Beispiel: Konrad Bayer, der in der Wiener Gruppe seine Autorenheimat fand und neben Oswald Wiener jüngstes Mitglied dieser Literatenvereinigung war.

Merkur in 11

Hier wird das gesamte Repertoire von Sprache eingesetzt, um Freundschaften zu schließen, Utopien werden eifrig diskutiert und Netzwerke zwecks Austausch und Kooperation gegründet.
Beispiel: Käthe Kollwitz, die in den ersten Jahren der Weimarer Republik etliche Plakate für KPD, SPD und humanitäre Organisationen schuf, Themen waren die Bekämpfung der Nachkriegsnot und vor allem die Warnung vor einem neuem Krieg.

Venus in 11

Monogame Beziehungen mit Eifersucht und Besitzansprüchen lehnt diese Venus als spießige und kleinbürgerliche Zweisamkeit ab, Mehrfachbeziehungen und Bindungsängste gehen zuweilen Hand in Hand.
Beispiel: der französische Philosoph und Poststrukturalist Michel Foucault, der 1953 aus der französischen KP austrat, die Parteidoktrin zur Homosexualität war Anlass für seinen Austritt.

Mars in 11

Pionier in einer Gruppe sein, das ist der Job, der Mars gut gefällt. Und natürlich kämpft dieser Mars im elften Haus für höhere Ziele und nicht nur, um seine Egowünsche zu befriedigen. 
Beispiel: Sigmund Freud, dessen Theorien zur frühkindlichen Sexualität gleich eine ganze Bewegung initiierten. Die Psychoanalytiker trafen sich jahrelang regelmäßig zur Mittwochsgesellschaft in Freuds Praxis, Berggasse 19 in Wien.

Jupiter in 11

Hier helfen Bezugsgruppen, den eigenen Horizont zu erweitern, Freundschaften ziehen Wachstum und Expansion nach sich und manchmal vielleicht auch Maßlosigkeit, der Mensch mit Jupiter in 11 kann Mäzen oder Wohltäter einer Gruppe sein.
Beispiel: der Musiker Kurt Cobain, der mit seiner Band Nirvana zu Beginn der neunziger Jahre die Kultfigur der sogenannten Generation X wurde und damit zum Vorbild und Helden avancierte.

Saturn in 11

Freundschaften zu knüpfen, das fällt dem Saturn in 11 nicht leicht. Schließt sich dieser Mensch dennoch einer Gruppe an, ist er derjenige, der notwendige Arbeiten und Pflichten übernimmt, der Regeln propagiert und nicht zuletzt hartnäckig in vielen kleinen Schritten das Ziel zu realisieren sucht.
Beispiel: Pina Bausch, die mit ihrem modernen Tanztheater die Einsamkeit des Einzelnen unter den Vielen auf die Bühne brachte und mit einer Vielzahl von Stücken das Tanztheater revolutionierte.

Uranus in 11

Uranus in seinem eigenen Haus verstärkt die Tendenz, radikale neue Wege zu gehen und mit anderen zusammen neue Ideen in die Welt zu setzen, hier finden wir den Freigeist, der manchmal auch exzentrisch wirken kann.
Beispiel: Franz Marc, der mit der Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ neue Maßstäbe für die moderne Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte und eine ungewöhnliche platonische Beziehung zur Dichterin Else Lasker-Schüler pflegte.

Neptun in 11

Menschen mit Neptun in Haus 11 suchen nach Gruppen, die sich für Schwächere einsetzen, Mitgefühl ist hier ein wichtiges Anliegen. Gleichzeitig geht es darum, sich selbst als Teil einer Gruppe nicht mehr so wichtig zu nehmen, Grenzen aufzulösen und sich emotional mit anderen verbunden zu fühlen. 
Beispiel: Dalai Lama, spiritueller Führer und geistiges Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, Gottkönig in den Augen seines Volkes, das seit dem Einmarsch der Chinesen in Tibet größtenteils im Exil lebt.

Pluto in 11

Pluto möchte im elften Haus die Frage nach der wahren Natur von Freundschaften stellen und duldet keine Lügen. Es besteht eine Sensibilität für subtile und offene Machtkämpfe, die zuweilen auch von Pluto in 11 angezettelt werden. 
Beispiel: Richard Wagner, dessen zerstrittener Familien-Clan seit über 125 Jahren auf dem Hügel in Bayreuth die bombastischen Opern des Komponisten und die dazugehörigen Machtspiele inszeniert.

Lilith in 11

Lilith als weiblicher Powerplanet setzt sich in Haus 11 für die Rechte von Frauen ein, kämpft für Gleichberechtigung und die Frauenquote. Möglicherweise werden Ansichten hier radikal und kompromisslos geäußert. Frau zeigt mit dem Finger auf die wunden Punkte einer Gesellschaft.
Beispiel: Ulrike Meinhof, politische Autorin, Feministin, Mutter zweier Töchter, Mitgründerin der Roten Armee Fraktion (RAF), wird 1972 verhaftet und 1976 erhängt in ihrer Zelle in Stuttgart-Stammheim aufgefunden.

Chiron in 11

Chiron im elften Haus kann der Außenseiter in einer Gruppe sein, derjenige, der nicht dazugehört, ausgegrenzt wird und dementsprechend leidet. Hier weiß Chiron um die persönlichen Verletzungen, die mit Gruppenidealen und Gruppenzwängen einhergehen können.
Beispiel: Johann Wolfgang von Goethe, der in den „Wahlverwandtschaften“ und der Spätfassung von „Stella“ das Konzept der freien Liebe in Frage stellte. Möglicherweise ist ihm mit zunehmendem Alter der Herzschmerz bewusst geworden, der mit einem Zuviel an Freiheit einhergehen kann?

Mondknoten in 11

Menschen mit Mondknoten im elften Haus haben gemäß der Natur der Mondknoten immer den absteigenden Knoten im fünften Haus und damit die Lebensaufgabe, Themen des fünften und des elften Hauses in ein Gleichgewicht zu bringen. Jede Form von Gruppenaktivität kann hilfreich sein, da sie persönliche Entwicklungsschritte nach sich ziehen wird. 
Beispiel: Günther Netzer und Hella von Sinnen, zwei Egomanen, deren Lebensaufgabe es sein mag, „Mannschaftsspieler“ zu werden.

 

Anmerkungen

[1]

Rafael Gil Brand Lehrbuch der klassischen Astrologie, Mössingen 2000, S. 223

[2]

Wolfgang Döbereiner Astrologisch-homöopathische Erfahrungsbilder, Bd. 1, München 1982, S. 25

[3]

Brockhaus Enzyklopädie Bd. 23, 19.Auflage, Mannheim 1994, S. 15

Dieser Artikel erschien in einer leicht geänderten Fassung in der 24. Ausgabe der „Astroforum Sternzeit“ im Sommer 2005.