Venus ist noch fern – eine Würdigung!
Es ist fast eine gesamte Chiron-Runde her, da erschien „Venus ist noch fern“ von Phoenix und Bärbel Messmer. Auf der Rückseite stehen erste Sätze, die erstaunlich aktuell sind und die man gerne allen Astrologie-Lernenden an die Hand geben möchte. In Kleinschreibung übrigens, die seinerzeit erstaunlich weit verbreitet war.[1]
„es gibt die gefahr der falschen sicherheiten. alles, an was du dich klammerst, in dem glaubens seiner dann sicher zu sein, wird dich fesseln. so wird es auch mit der astrologie sein. sie wird zur neuen tödlichen Ordnung, zum neuen raster, wenn du sie gebrauchst zum schaffen falscher sicherheiten über dich, über andere.
Mit diesem Zitat ist die Aufforderung verbunden, astrologische Symbole spielerisch zu nutzen, um sich selbst zu entdecken und um andere Menschen in ihrem Anders-Sein besser zu verstehen. Jede Form von Festlegung, wie ein Mensch aufgrund seines Horoskop zu sein hat, verbietet sich. Es geht nicht darum, hundertprozentig und ganz genau zu wissen, wer Du bist – oder wer jemand anders ist, sondern sich zu öffnen, zweifelnd zu suchen und sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben.
Diese Sichtweise auf Astrologie als einen Weg der Selbstentdeckung und Selbsterfahrung wurde in dem kleinen Bändchen zum ersten Mal explizit eingefordert. Gleichzeitig formulierten die Autorinnen ihre Kritik an der blinden Schicksalsgläubigkeit, die sie in einer traditionellen Astrologie mit ihrem männlich-dominieren Blick auf das Leben zu finden glaubten.
Heute schauen wir mit einem zeitlichen Abstand auf die Astrologie-Szene der späten 70er und frühen 80er Jahre und stellen fest, dass der Zeitgeist, den dieses Buch atmet, eine ganze Generation von damals noch jungen Astrolog*innen geprägt hat. Auch wenn es schon länger ein Revival der traditionellen Astrologie gibt, ist die Astrologie heute ohne Selbsterfahrung und Selbstreflexion nicht denkbar. Jahrzehnte mit einer psychologischen Astrologie, die sich eng an die humanistischen Psychologie anlehnt, haben dazu geführt, dass Horoskope nicht mehr deterministisch gedeutet werden. Die Auseinandersetzung mit eigenen Themen ist ein elementarer Bestandteil vieler professioneller Astrologie-Ausbildungen geworden.
Da ich mich selbst zu dieser Generation zähle, die im Nachklang der Hippie-Bewegung die Astrologie entdeckte, habe ich mich sehr gefreut, als Katja von Lieselle auf mich zukam und mich bat, für den im Februar 2025 erschienenen Sammelband einen Artikel über dieses Astrologie-Buch zu schreiben.
Lieselle ist die queer-feministische Bibliothek an der Ruhr-Uni Bochum und wurde 1978 als Archiv gegründet, ein Jahr bevor „Venus ist noch fern“ erschien. 2023 feierte diese Einrichtung das 45-jährige Bestehen und es entstand die Idee, die Archiv-Sammlung mit einer Reihe von Artikeln zu präsentieren, zu einzelnen Büchern und Buchreihen, aber auch zu den reichhaltigen Sammlungsbeständen – und nicht zuletzt kommen Aktivistinnen und Zeitzeuginnen zu Wort.
Erschienen ist der von Katja Teichmann herausgegebene Band im Orlandaverlag und soweit ich weiß, wird es in den nächsten Wochen in Bochum und an anderen Orten eine Buchvorstellung geben. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich „Venus ist noch fern“ als einen feministischen Beitrag zur Astrologie würdigen durfte und habe mich gerne an meine ganz persönlichen ersten Schritte mit der Astrologie im Jahr 1978 erinnert.
Anmerkungen
[1] Progressive Bewegungen wie etwas das Bauhaus hatten schon in den 20er Jahren es letzten Jahrhunderts konsequente Kleinschreibung zum Programm erhoben, die Wiener Gruppe, eine Reihe von Schriftstellern in den 50er Jahren nutzte sie. Und die linke Tageszeitung TAZ schreibt ihren Titel seit 1984 in Kleinbuchstaben. Und so ignoriert dieses erste Buch über Astrologie von Frauen für Frauen vom ersten bis zum letzten Satz die Großbuchstaben.