Im wunderschönen Monat Mai, während ich mit Ernst Ott auf den Hügeln Roms unterwegs war, erschien in der beliebten WDR-Sendung „Zeitzeichen“ eine Folge über Elsbeth Ebertin, auf den Tag genau 145 Jahre nach ihrer Geburt am 14. Mai 1880. Elsbeth Ebertin wurde in den zwanziger Jahren mit einer Deutung des Horoskops von Adolf Hitlers Horoskop bekannt. Doch sie war nicht nur Astrologin, sondern betrieb die Kunst des Handlesens, war Graphologin  und Schriftstellerin, also vielseitig begabt und in ihrer Zeit eine Koryphäe der Astrologie.

Jenn Zahrt, Astrologin und Geschichtsforscherin in den USA, hat bereits 2017 im Mountain Astrologer, der amerikanischen Astrologiezeitschrift einen langen Artikel über Frau Ebertin publiziert und sie als eine „vergessene Antriebskraft der deutschsprachigen Astrologie“ gewürdigt. Jenn Zahrt kommt auch im Zeitzeichen kurz zu Wort. Sie ist übrigens nicht nur Historikerin, sondern hat einen eigenen Verlag und arbeitet aktuell an Übersetzungen der zahlreichen Ebertin-Bücher. Denn Elsbeth ist die Mutter von Reinhold Ebertin, der mit seiner Kosmobiologie in der Astrologie-Szene der Nachkriegszeit großen Einfluss hatte. Ihr Enkel Baldur Ebertin, 1933 geboren, hat ebenso wie sein Vater und seine Großmutter viele Bücher geschrieben.

Ich durfte den freundlichen älteren Herrn noch persönlich kennen lernen, als er für das Online-Magazin Sternwelten Artikel verfasste, die ich lektorieren durfte. Ältere Kollegen werden ihm oft genug bei seinen zahlreichen Vorträgen auf Kongressen begegnet sein. Baldur Ebertin hat Psychologie studiert und 1960 promoviert. Er hat viel geforscht und sich permanent weitergebildet, Noch bis ins hohe Alter (er starb 2020) arbeitete er als Psychotherapeut, Heilpraktiker, Astrologie und Reinkarnationstherapeut in eigener Praxis im Schwarzwald.

Elsbeth Ebertin, 14. Mai 1880, 18.22. Görlitz, D
Datenquelle. Astrodatabank mit einem A-Rating

Elsbeth als die Mutter des Ebertin-Clans hatte Astrologie über die Hamburger Schule 1911 kennengelernt und sich autodidaktisch mit den Werken von Karl Brandler-Pracht ein solides astrologisches Wissen angeeignet. Zu Forschungszwecken studierte sie die Biografien von berühmten Personen und sammelte Horoskopdaten. Direkt nach dem Krieg begann sie mit ihrer publizistischen Tätigkeit, zunächst gab sie einen jährlichen Almanach mlt Prognosen für die zwölf Tierkreiszeichen heraus und war damit sehr erfolgreich. Sie gründete einen eigenen Verlag, den sie Regulus-Verlag nannte, da sich dieser Fixstern genau auf ihrem MC befindet. Neben dem Jahrbuch, das bis 1938 erschien, publizierte sie ihre Astrologie-Büchern, aber auch Romane mit astrologischen Inhalten. Inhaltlich war sie breit aufgestellt, sie deutete Geburtshoroskope ebenso versiert wie Mundan-Horoskope. Sie wurde auch mit ihren Aussagen zur Politik und zum Zeitgeschehen in der Weimarer Republik bekannt – und berühmt.

Eine starke Planetenballung im Stier und die enge Konjunktion von Sonne und Pluto lassen vermuten, dass sie clever und geschäftstüchtig war und mit Regulus auf ihrem Löwe-MC keine Scheu davor hatte, sich öffentlich zu präsentieren.

Wie viele ihrer Kollegen und Kolleginnen versuchte sie sich nach 1933 mit den Nazis zu arrangieren, doch spätestens 1941 nach dem berühmt gewordenen Abenteuer-Flug des Hitler-Vertrauten Rudolf Hess wurde die Astrologie in Deutschland verboten und kriminalisiert. Eine finstere und schaurige Ära in der Geschichte der deutschsprachigen Astrologie, die immer noch einer gründlichen Aufarbeitung bedarf. Immerhin sind erste Schritte getan, denn der Historiker Volker Lechler, der auch im Zeitzeichen zu Wort kommt, hat in diesem Jahr seine Dissertation mit dem Titel „Sterne. Menschen, Politik“ veröffentlicht. Dieses umfangreiche Werk zur astrologische Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt auf meinem Schreibtisch, ich darf es für die Fachzeitschrift Meridian rezensieren und habe beim ersten Lesen festgestellt, dass der Autor gründlich recherchiert und umfangreiche Quellenforschung betrieben hat.

Für alle, die sich mit der Geschichte der Astrologie im letzten Jahrhundert auseinandersetzen möchten, ein unverzichtbares Werk  und weitaus informativer als Ellie Howes Abhandlung „Uranias Kinder: die seltsame Welt der Astrologen und das dritte Reich“, die 1995 in einer Übersetzung von Frank Isfort erschien.

Bildquelle: Das Foto, das Elsbeth Ebertin vor dem Jahr 1910 zeigt, ist der Wikipedia entnommen. Es ist gemeinfrei, der Fotograf ist unbekannt.