In der vergangenen Woche hat mich eine Journalistin interviewt. Frau Grond stellte mir Fragen rund um die Astrologie-Ausbildung und wir hatten in der Folge ein anregendes Gespräch über astrologische Beratungen, über die Arbeit mit Menschen und die Liebe zu den Menschen. Das Interview wird in einer der nächsten Ausgaben der Fachzeitschrift Meridian erscheinen.
Was kann eine gute astrologische Beratung leisten? Kann die Astrologie Menschen helfen, ihre Probleme besser zu bewältigen? Und welche Art von Hilfe bieten beratende Astrologen? Natürlich ging es auch um die Frage, welche Inhalte in einer Astrologie-Ausbildung unterrichtet werden und ob Menschen, die eine Prüfung beim deutschen Astrologenverband (DAV) ablegen, besonders qualifiziert sind, astrologisch zu beraten?
An dieser Stelle wurde unser Gespräch sehr aktuell. Denn seit rund anderthalb Jahren wird in einer Arbeitsgruppe darüber diskutiert, ob und wie die aktuelle Prüfungsordnung geändert werden kann, damit Beratungskompetenz einen größeren Stellenwert als bisher bekommt.
Ende September, wenn der Jahreskongress des DAV in Bad Kissingen stattfindet, wird auf der Mitgliederversammlung (der DAV ist ja ein eingetragener Verein mit allem, was dazu gehört) über verschiedene Änderungsanträge diskutiert und abgestimmt. Mich haben die vielen Gespräche und Diskussionen in der Arbeitsgruppe, die diesen Änderungsantrag stellen wird, sehr inspiriert. Und ich habe mir viele Gedanken zu den oben aufgezählten Fragen gemacht.
Eine der vielen Geschichten von Bertold Brecht über den Herrn Keuner finde ich sehr hilfreich, um als Astrologin mit einer offenen Haltung in jedes Beratungsgespräch zu gehen. Es ist die Geschichte über die Liebe, sie ist kurz, dennoch sehr lehrreich und deshalb zitiere ich sie.
Wenn Herr K. einen Menschen liebte
„Was tun Sie«, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm«, sagte Herr K., „und sorge, daß er ihm ähnlich wird.“ „Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „Der Mensch.“
Im Vorfeld einer astrologischen Beratung machen wir uns mit Hilfe des Horoskops ein Bild von dem Menschen, der zu uns kommt und dem wir vielleicht zum ersten Mal im Leben begegnen. Doch was passiert, wenn dieser Mensch das Horoskop ganz anders lebt, als wir uns gedacht haben? Herrn Keuner macht uns mit seiner Vorgehensweise deutlich, dass es absurd ist, an einem Bild festzuhalten, wenn es der Wirklichkeit nicht entspricht.
Das bedeutet, dass wir uns eine gewisse Unsicherheit in jeder Beratungssituation erlauben dürfen. Für diejenigen, die gerade erst anfangen, anderen ihr Horoskop zu erklären, mag das eine große Hürde sein. Doch mit jeder Beratung wächst die Erfahrung, dass die Bilder der Astrologie tiefe Wahrheit und Erkenntnisse schenken, auch und gerade wenn wir uns dieses Moment von Verunsicherung erlauben.
Genau genommen ist die Unsicherheit ein Ausdruck von Souveränität, denn sie macht uns offen dafür, unsere Deutungskünste als ein Angebot zu verstehen – und nicht als alleinseligmachende Wahrheit oder gar als ein Diktat. Sie macht uns vorsichtig und vielleicht sogar demütig genug, dem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen, auch wenn wir „Experten“ sind.
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Diese Erkenntnis vom Sokrates wurde nicht ganz korrekt übersetzt, auch wenn sie zum geflügeltes Wort avancierte. Das zumindest lässt sich in der Wikipedia nachlesen. Stattdessen soll Sokrates gesagt haben: Ich weiß als Nicht-Wissender. Und das wiederum bedeutet, dass es im Umgang mit anderen Menschen klug ist, sich Zweifel zu erlauben und die eigenen Ansichten und Einstellungen immer wieder neu zu reflektieren.
P.S. das Foto zeigt die Göttin der Klugheit und Weisheit Pallas Athene. Ihr Wahrzeichen ist die Eule.
Bildquelle: Foto Monika Meer